Bio-Lebensmittel machen einen großen Teil meines wöchentlichen Einkaufs aus. Egal ob heimische oder importierte Produkte, Obst oder Gemüse – Wenn es eine Bio-Alternative gibt, wandert diese irgendwie lieber in meinen Einkaufswagen. Deshalb besuchte ich auch in diesem Jahr, wie schon 2017, die BIOFACH in Nürnberg. Auf der Weltleitmesse für Bio-Lebensmittel habe ich unglaublich viele Eindrücke und Neuentdeckungen gesammelt. Von Kurkuma bis Cold Brew Coffee habe ich euch meine Highlights der BIOFACH 2018 zusammengefasst und ein bisschen »Bio-Geschichte« gibt es gleich noch dazu.
Von Hippies bis Hipster – Die Entstehung von »Bio«
Was bedeutet eigentlich »bio«? Seit wann gibt es das? Wer hat’s erfunden und warum? Bio-Produkte findet man heute in so gut wie jedem Supermarkt. Den Anstoß dazu gaben bereits Anfang des 20. Jahrhunderts einzelne kleinere Gruppierungen, wie die Naturkost-Bewegung, der Vegetarismus und anthroposophische Ansätzen wie der von Rudolph Steiner. Erst in den 70er Jahren eröffneten in die in Deutschland die ersten Naturkostläden. Sowohl die Produkte, als auch deren Konsumenten unterlagen im Laufe der Jahre dabei großen Veränderungen. Das allgemeine Bild der Kundschaft in den wilden 70ern: langhaarige Birkenstock-Träger, die schrumpelige Möhrchen essen und von Vollwertkost predigen. So zumindest wurde »Bio« lange Zeit wahrgenommen.
Heute ist »Bio« in unseren Supermärkten zur Selbstverständlichkeit geworden. Von der Artischocke bis zur Zartbitterschokolade gibt es für fast jedes Lebensmittel das entsprechende Bio-Pendant. Das kommt nicht zuletzt durch unser verändertes (Werte-)Bewusstsein in Bezug auf Lebensmittel und das Angebot der großen und kleinen Lebensmittelproduzenten und Verbände.
Die ehemaligen Pioniere auf dem Biomarkt sind inzwischen zu etablierten Marken herangewachsen. Im Gegenzug werden die Konsumenten von Bioprodukten immer jünger. Vor allem die Gruppe der 25 bis 38-Jährigen, zu der auch in selbst zähle, legt immer größeren Wert auf eine schadstofffreie, biologische Ernährung, artgerechte Tierhaltung und Umweltschutz. Die Nachfrage nach Bio in allen Verarbeitungsfacetten steigt. Die Hipster haben Bio für sich entdeckt. »Bio« ist im Mainstream angekommen.
Bloggerrundgang BIOFACH 2018 – Die nächste Bio-Generation
Neben meinen eigenen Streifzügen über das riesige Messegelände nahm ich an dem von der Messe Nürnberg geführten Medien- und Bloggerrundgang teil. Dieser führte vormittags über die VIVANESS und nachmittags über die BIOFACH. Eine tolle Sache, denn bei den schieren räumlichen Ausmaßen und 3.218 (!!!) Ausstellern kann man schnell den Überblick verlieren. Gut, dass der Rundgangsleiter Hasaan Hakim wusste, wo’s langgeht. Zumindest meistens.
Unter dem Motto »Generationswechsel« besuchten wir ausgewählte Vertreter der wertebewussten Bio-Branche, die sich aktuell durch Produktinnovation oder Generationswechsel verjüngen. Die neue Generation der Biohersteller ist engagiert und einfallsreich. Sie entwickeln neue Anbaumethoden, Verfahren und Produkte und setzen auf neue Marketing- und Vertriebsstrategien. Von Kombucha bis Cold Brew Coffee – Immer neue Trends und Innovationen bereichern den Bio-Sektor.
Kombucha – Fermentierte Erfrischung
Eines meiner persönlichen Highlights und Entdeckungen der letzten Monate: Köstlicher Kombucha. Bei Kombucha handelt es sich um ein fermentiertes Teegetränk. Als Basis dient ein gezuckerter Grün- oder Schwarztee, der mit Hilfe von Hefen und Bakterien, dem sogenannten SCOBY (Symbiotic Culture Of Bacteria and Yeast), fermentiert wird. Durch die Verstoffwechslung der Mikroorganismen entsteht eine leicht herbe, kohlensäurehaltige Alternative zu Limonade.
Kombucha kann man entweder fix und fertig kaufen, oder die fermentierte Erfrischung selbst bei sich zuhause ansetzen. Alles, was man dazu braucht, bekommt man zum Beispiel von Deutschlands erster Bio- & Raw-Kombucha-Brauerei Fairment. Mit Fairment wollen Leon Benendens und Paul Seelhorst fermentierte Lebensmittel in Rohkostqualität wieder als integralen Bestandteil einer gesunden Ernährung zurück in die Haushalte bringen. Vor etwa 3 Jahren hat Fairments Chef-Alchemist Paul begonnen, mit fermentierten Lebensmitteln zu experimentieren und steckt voller Freude und Leidenschaft andere mit seiner Begeisterung an.
Kurkuma – kulinarischer Zauber des Orients
Keine Knolle ist mir auf der BIOFACH 2018 so oft begegnet wie der Gelbwurz. Ob zum Kochen, Würzen oder Mixen – überall wurde mit der Safranwurzel experimentiert. Obwohl Kurkuma in der Avuryeda-Medizin Indiens und der traditionellen, chinesischen Medizin bereits seit mehr als 4.000 Jahren eingesetzt wird, führte er in Deutschland bislang eher ein stiefmütterliches Dasein. Allenfalls als Küchengewürz in Currymischungen kam uns die stark gelbfärbende Wurzel einmal unter. Langsam rückt nun auch hierzulande der positive Effekt von Kurkuma in das Bewusstsein der Konsumenten.
Nicht zuletzt auch Dank seiner stark antioxidativen, verdauungsfördernden und entzündungshemmenden Wirkung findet Kurkuma bei Foodies immer größeren Anklang. So findet man ihn beispielsweise in Trendgetränken wie Gold Milk oder Switchel (Infos hierzu weiter unten im Artikel). Auch herzhaften Gerichten, Würzpasten und Tofuspezialitäten verlieh die Powerwurzel ihr leicht orientialisch angehauchtes Aroma.
Cold Brew Coffee – Kalt gebrüht und heiß begehrt
Das ist doch alles kalter Kaffee. Stimmt. Über 12 Stunden ziehen die Bohnen dieser Kaffeespezialität in kaltem Wasser, bevor sie gefiltert und abgefüllt werden. Der sogenannte Cold Brew Coffee ist besonders mild, bekömmlich und sanft im Geschmack. Die Naturkostsafterei Voelkel bietet den Wachmacher pur oder verfeinert an. Unter anderem gibt es ihn mit Kokosmilch und Kokosblütenzucker.
Switchel – Apfelessig auf Erfolgskurs
Was sich ein wenig wie eine Gameshow aus den späten 90ern anhört ist laut Voelkel »DER Foodtrend 2018«. Switchel ist ein fruchtig-scharfes Essiggetränk und besteht aus Apfelessig, Ingwer, Ahornsirup und Zitrone und soll angenehm in der Kehle brennen. Auf den ersten Blick hört sich dieses Getränk, vor allem aufgrund des Essigs, nicht besonders lecker an. Hat aber wohl großes Potenzial zum neuen Hit-Getränk. Was haltet ihr davon?
Verein & Familienunternehmen – Voelkel in der 3. Bio-Generation
In der dritten Generation ist Jurek Voelkel zusammen mit seinem Bruder nun für den Familienbetrieb Voelkel tätig. Auf dem Blogger- und Medienrundgang sprach er voller Leidenschaft über ihre Mission, über die Sehnsucht nach dem Echten, die sie mit ihren Produkten bedienen möchten. »Echt«, so fühlt sich das Unternehmen auch an, dessen Devise »Fairness statt Gewinnmaximierung« scheinbar durch und durch gelebt wird. So gehört das Familienunternehmen zum Teil einer Stiftung und ist zum Teil Verein. Streit übers Erbe – Fehlanzeige. So kann man ein Unternehmen auch ohne Probleme an die nächste Generation weitergeben.
Taifun Tofu sucht 1000 Sojagärtner
Tofu ist ein Lebensmittel mit einer über tausendjährigen Tradition. In Verruf geriet der vegetarische Eiweißspender erstmals in den 90er Jahren, als in den USA erstmals gentechnisch veränderte Sojapflanzen angebaut wurden. Der Bezug von gentechnikfreien Tofu-Sojabohnen wurde zum Problem. Deshalb beschloss das Familienunternehmen Taifun Tofu, die Sojabohne nach Europa zu holen und sie in unseren Gärten heimisch zu machen.
Innerhalb des Forschungsprojektes »1000 Gärten« werden in zahlreichen Gärten in ganz Deutschland verschiedene Sojakreuzungen angebaut und in der Labortofurei getestet. So können gezielt passende Bohnensorten für die verschiedenen Regionen in Deutschland entwickelt werden.
Mitmachen können Hobbygärtner, Profigärtner, Landwirte, Schulen, Initiativen und Urban Gardening Projekte, und alle mit Spaß am Gärtnern und Forschen. Soja wächst übrigens überall dort, wo auch Weinstöcke wachsen. Also schau dich einmal in deiner Nähe um. Vielleicht wirst auch du schon bald zum Sojagärtner.
Emils Bio Manufaktur hat keinen Bock auf Zusatzstoffe
Ein Kind bekommen, den Job kündigen, ein Unternehmen gründen – und das alles in nur einem Jahr. So ungefähr begann die Geschichte von Emils Bio Manufaktur, die vorwiegend Dressings, Mayos und Ketchup herstellen. Emil, das ist der Name von Michael Wieses Sohn, der im Gründungsjahr 2009 geboren wurde. Zusammen mit Jens Wages sprang er damals Hals über Kopf in das Abenteuer Selbstständigkeit und siehe da: Es hat funktioniert.
Die beiden Gründer hatten keine Lust mehr auf zuckrige Industriesaucen voller Zusatzstoffe. Deshalb wollten sie sich selbst und ohne jegliche Vorkenntnisse an die Kreation eigener Rezepte machen. Das Emils Reinheitsgebot: konsequent nur drin, was man von zu Hause kennt.Manche ihrer Produkte entstanden im Laufe der Zeit geplant, manche eher aus versehen. Wie zum Beispiel die vegane Mayo, die eigentlich einmal ein eifreies Caesar’s Salatdressing werden sollte. Alle Produkte sind ohne Zusatzstoffe, Verdickungsmittel und Helferlein. Für ihren konsequenten Ansatz wurden sie bereits mehrfach ausgezeichnet.
Besonders interessant fand ich den »smoked Ketchup« mit Buchenholzrauch, den ich mir toll für ein sommerliches Barbecue vorstellen kann. Er bekommt seine Süße nur aus Tomaten, Apfelsaft und Aceto Balsamico. Seine BBQ Note entsteht durch die über echtem Buchenholz geräucherten Gewürzen.
Zwischenstopp auf der VIVANESS
Natürlich möchte ich euch neben der BIOFACH 2018 auch kurz die Trends der VIVANESS zusammenfassen. Da dieser Rundgang allerdings nur knapp eine halbe Stunde dauerte und ich sicherlich keine Fachfrau in Sachen Kosmetik bin, halte ich mich hier kurz. Was man auch schon auf dem Teller beobachtete, kommt nun auch in die Tube: Paleo ist auch in der Kosmetikindustrie ein Trendthema. Genauso wie probiotische Produkte. Themen, die die Kosmetikindustrie aktuell zudem beschäftigen sind der »Anti Pollution Trend«, der »Carbon Footprint«, sowie wasserfreie Produkte, Deos auf Natriumcarbonat Basis und Alternativen zum hormonaktiven Sonnenschutz.
Mein Fazit zur BIOFACH 2018
Trends, die sich bei uns heute etablieren, waren in den USA schon vor 3-4 Jahre der letzte Schrei. Irgendwie scheint Deutschland in diesen Themen immer ein bisschen hinterher zu hinken. Woran das liegt? Vielleicht orientieren wir uns generell zu stark an dem, was andere Länder tun, anstatt selbst aus uns heraus neue Entwicklungen voranzutreiben. Denn auch hierzulande gibt es kulinarische Schätze, die neu- oder wiederentdeckt werden wollen. Daher bin ich schon sehr gespannt auf das nächste Jahr. Vielleicht finden sich dort dann auch wirklich regionale Innovationen.
Ein Satz, der mir außerdem noch lange nach der BIOFACH 2018 im Gedächtnis bleib, stammt von einem Vertreter des Bioland Verbands. Er antwortete auf die Frage, warum man Bioprodukte tausende von Kilometern importieren muss mit dem Satz: »Erst Regio macht Bio zu Öko.« Also achtet beim Kauf von Bioprodukten ruhig auch mal auf die Herkunft und zieht das regionale Angebot dem von weither importierten Produkten vor.
Ich hoffe, ich konnte euch mit meinem Artikel über die BIOFACH 2018 einen kleinen Einblick in die Welt der nachhaltigen Lebensmittel verschaffen.
Genießt euren Tag und seid lieb zueinander,
Eure Madame Dessert
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