Über Stock und Stein, Zäune und Mäuerchen, Zitronenmelissefelder und Holundersträucher, mit Giersch im Mund und Gänseblümchen im Haar und dem obligatorischen Mückenstich nehm’ ich euch mit zum Kräuter- und Heilpflanzenspaziergang im wilden Würzburg und seinen versteckten Kräuterwiesen.
Kräuter- & Heilpflanzenspaziergang – Fühlen, Riechen, Naschen
Vor zwei Wochen lud Samuel Waldstein – seines Zeichens freiheitsliebender Heilpflanzenkundiger – zum Heilpflanzenspaziergang in Würzburg ein. Heilpflanzenspaziergang … Was kann man sich darunter vorstellen?
Ein bisschen mehr als ein Spaziergang ist es schon und ein bisschen Abenteurerblut muss auch in einem fließen, wenn man entlang zerfallener Mauern, morscher Äste und piksender Brennnesseln durchs Unterholz streift. Bei unserer kleinen Expedition durch den urbanen Dschungel pflückten wir jede Menge essbare Pflanzen, rieben mit unseren Fingern an ihnen, um ihren Duft aufzusaugen und nach dem ein oder anderen genaschten Blättchen ihre heilkundliche Verwendung und ihre traditionelle Nutzung zu verstehen.
Mit Samuel Waldstein durchs Unterholz
Unser Workshop Leiter Samuel »Waldstein« stammt aus dem Unterallgäu und hat das meiste seines Kräuter- und Pflanzenwissens von Heilpraktikerin Adelheid Lingg oder aus dem Selbststudium gelernt. Er selbst ist weder Heilpraktiker, Arzt noch Apotheker, möchte aber mit seiner ehrenamtlichen Arbeit Menschen wieder ein Stück Natur und vor allem die Pflanzen und deren helfende und heilende Wirkung näher bringen.
Allgemeine Tipps & Hinweise zur Kräuterernte
- Kräuter und Pflanzen sollten am besten fernab von Wegen und gedüngten Wiesen geerntet werden.
- Alle Pflanzen sollten erst nach einer einwandfreien Identifizierung verzehrt werden, da oft Verwechslungsgefahr mit giftigen »Zwillingen« besteht.
- Grüne Blätter erntet man am besten im Frühjahr.
- Blüten erntet man (logischerweise) während der Blüte.
- Wurzeln sollten im Herbst/Winter geerntet werden, da die Pflanzen während dieser Zeit ihre Säfte in die Wurzeln zurückziehen.
Essbare Wildkräuter & Heilpflanzen
Giersch – Gaumenschmaus & Gärtner-Alptraum
Unter den meisten Gärtnern und Gartenbesitzern ist Giersch als lästiges Unkraut verschrieen. Einmal im Garten wird man den Doldenblütler so schnell nicht mehr los. Schaut man sich seine Wirkung und Einsatzmöglichkeiten in der Küche an, kann man aber fast nicht genug des grünen Krauts bekommen.
Am besten eignet sich das junge Wildgemüse für Salate oder Suppen. Die jungen, hellgrünen Triebe schmecken besonders fein und erinnern an Petersilie. Er kann als Wildgemüse zusammen mit Löwenzahn oder Brennnesseln kombiniert und verwendet werden. Die jungen Wurzeln kann man übrigens wie Spargel in der Pfanne braten. Giersch soll entschlackend wirken, überschüssige Harnsäure ausleiten und wurde oftmals gegen Gicht und Rheuma eingesetzt.
Achtung Verwechslungsgefahr mit dem giftigen Bärenklau!
Frauenmantel – Ein Kraut für alle Fälle
Alchemilla, wie der Frauenmantel auch genannt wird, ist das Kraut für Frauen und alles, was man für deren Körper so Gutes tun kann. Kneipp soll einmal über den Frauenmantel gesagt haben, er sei »wider die hängenden Titten der Frau«. Und damit lag er wohl gar nicht mal so falsch. Die im Frauenmantel enthaltenen Gerbstoffe wirken tatsächlich adstringierend, also zusammenziehend, und können so bindegewebsstraffend wirken.
Der Frauenmantel, dessen Blätter an den wehenden Mantel einer Frau erinnern, kann als ganzes Kraut, d.h. alles bis auf die Wurzel, verwendet werden und ist nicht giftig. Nachts bilden sich in den Kelchblättern übrigens kleine tauartige Tropfen, die die Pflanze selbst absondert und die früher von Alchemisten für Gold gehalten wurden, da sie in der Morgensonne golden schimmern.
Frauenmantel gibt es als Tinktur bzw. alkoholischen Auszug, aber er kann ebenso als Tee (2/3 Blätter + 1/3 Blüten) getrunken werden.
Holunder – Von Ahnenbäumen bis zum Trendgetränk
Es strömt ein tiefer, fast derber Geruch von ihm aus. Die meist wild wachsenden Holundersträucher, deren schneeweiße Blüten sich zu pechschwarzen Beeren verwandeln, galten früher als Gewächse der Ahnen. »Jedes Haus sollte einen Holunder haben«, hieß es damals.
Holunderblüten verwendet man meist für aromatische Gelees oder gießt den aus ihnen hergestellten Sirup zur Limonade oder Hugo auf. Auch als Tee schmeckt die schweißtreibende Immunpflanze ausgezeichnet. Man sollte nur nicht zu viel davon naschen, da der Holunder sonst schnell eine unangenehme, abführende Wirkung haben kann. Im Winter lassen sich auch die Rinde und die Wurzeln des Holunders verarbeiten.
An der Rinde des Holunders wächst übrigens oft ein sehr beliebter Speisepilz. Das sogenannte Judas Ohr oder auch Mu-Err-Pilz kann wunderbar in asiatischen Rezepten verwendet werden.
Der unterschätze Günsel
Der kleine, nah am Boden wachsende Günsel ist bei uns relativ unbekannt. Er kann sowohl getrocknet und als Tee zubereitet, als auch in Salben und Tinkturen verwendet werden. Auch optisch sind die strahlend blauen Blüten ein echter Hingucker.
Der würzige Nelkenwurz
Der Nelkenwurz gehört zu den Rosengewächsen und wächst meist in lichten Wäldern oder an alten Gemäuern. Die 25-70 cm hohe Pflanze mit den leuchtend gelben Blüten ist ein eher unscheinbares Gewächs. Ihren Namen verdankt sie ihrem nelkenartigen Duft, für den ihr Inhaltsstoff Eugenol verantwortlich ist. Verdrängt durch die intensiv duftenden Gewürznelken ist der Nelkenwurz heutzutage fast in Vergessenheit geraten. Dabei kann er durchaus Abwechslung in den Speiseplan bringen und durch seine zusammenziehende Wirkung gegen vielerlei Entzündungen helfen.
Die jungen Blätter des Nelkenwurz können im Frühjahr zum Salat gemischt, die älteren zum Verfeinern von Quarks benutzt werden. Auch zum Würzen eignet sich die Pflanze frisch wie getrocknet hervorragend. Ihre kleinen Blüten eignen sich perfekt zur Dekoration von Salaten oder anderen herzhaften Speisen. Von September bis Februar können auch die Wurzeln geerntet und beispielsweise gemörsert werden.
Rupprechtkraut – Stinkender Storchschnabel
Ja, »Stinkender Storchschnabel« ist wahrlich keine schmeichelnde Bezeichnung für eine so hübsche Pflanze. Dabei sind die ätherischen Öle, denen das Storchschnabelgewächs seinen Namen verdankt, herrlich würzig, aromatisch und meist sehr angenehm. Die rötliche Färbung seiner Sproßachsen und Blattstiele ist vermutlich der Ursprung für seinen Namen »Ruprechtskraut«, der aus dem Althochdeutsch »rotpreht«, für »rötlich« zurückzuführen ist. Früher bediente man sich des Krauts wohl des Öfteren bei Kinderwunsch, denn der Strochschnabel sollte, wie sein gefiederter Freund, Nachwuchs ankündigen.
Heute verwendet man meist die hübschen Blüten zur Dekoration würziger Sommersalate. In der traditionellen Volksheilkunde wird das Rupprechtskraut aufgrund seiner antiseptischen Wirkung aber immer noch als Heilmittel gegen Zahnschmerzen, Prellungen, Fieber, Gicht und allerlei Anderes verwendet.
Bärenstarker Bärlauch
Im Frühjahr findet man das würzige Wildgemüse meist in ganzen Bärlauchfeldern am Waldboden. Neben seinem herrlichen Aroma wirkt der wilde Knoblauch, wie er auch genannt wird, unter anderem Blutdruck- & Cholesterin-senkend. Bärlauch schmeckt nicht nur, er soll auch bärenstark machen. Wie wäre es da zum Beispiel einmal mit einer feinen Bärlauchtarte mit Wildkräutersalat oder leckeren Bärlauchgnocchi?
Vorsicht bei der Bärlauchernte: Die grünen Blätter können leicht mit denen der giftigen Maiglöckchen verwechselt werden!
Zitronenmelisse
Wenn du durch den Wald streifst und es auf einmal zart nach Zitronen duftet, dann stehst du womöglich in einem der unzähligen Zitronenmelisse-Felder. Das erfrischende Kraut mit dem zarten Zitronenaroma gehört zu den beliebtesten Gewürzkräutern und fühlt sich in unseren heimischen Gefilden pudelwohl.
Limonaden, Bowlen und Konfitüren verleiht die Melisse ein zart-zitroniges Aroma. Als Tee wirkt sie beruhigend und krampflösend. Eine Wirkung, der sich auch der gute alte Klosterfrau Melissengeist zu Nutzen gemacht hat.
Gundermann – Die Soldatenpetersilie
Auch wenn einem der schnell wuchernde Gundermann, der auch als Erdefeu bezeichnet wird, manchmal etwas unliebsam sein kann, kann man sich freuen, ein so schmackhaftes wie vielfältig einsetzbares Kraut in seinem Garten zu haben. In der Küche kann man sowohl die jungen Blätter, als auch die Blüten benutzen.
Er schmeckt leicht pikant und verleiht Gerichten durch seinen bitteren Geschmack eine interessante Note. Als Tee oder Tinktur (alkoholischer Auszug) eingenommen können seine schleimlösenden Inhaltsstoffe bei Beschwerden im Hals- und Rachenbereich sowie bei Blasen- und Nierenproblemen helfen. Auch als Zusatz in einem Kräuterbad oder als heißer Aufguss kann er seine stoffwechselfördernde Wirkung entfalten. Aufgrund seines hohen Vitamin C Gehaltes erhielt er außerdem den Beinamen »Soldatenpetersilie«.
Gänseblümchen – Er liebt mich, er liebt mich nicht … ach, ich ess’ dich lieber!
Ein Gaumen- und Augenschmaus sind diese kleinen Korbblütengewächse. Die Blüten der Gänseblümchen können sowohl pur, als auch kandiert genossen werden und machen jedes Sommergericht zu einem kleinen Hingucker.
Brennnessel – Besser als ihr Ruf
Mit einem Grinsen im Gesicht schleckt Samuel die Blätter der wild wachsenden Brennnessel ab. »Wenn man weiß, wie man sie behandeln muss, verbrennt man sich auch nicht an ihr«, sagt er und erklärt, dass ihre Brennhaare nur nach außen gerichtet sind und man sie so, von der richtigen Richtung her angefasst, problemlos berühren und ernten kann. Nicht zu verwechseln ist die Brennnessel übrigens mit der Taubennesseln. Diese hat kleine weiße Blüten und keine Brennhärchen.
Einmal geerntet, profitiert man von den vielen positiven Inhaltsstoffen des Wildgemüses. Erwiesen ist ihre Linderung-bringende Wirkung bei Arthrose, Arthritis, Prostatabeschwerden und Blasenproblemen. Sie enthält besonders viel Eisen, Calcium und Vitamin C, übrigens 7-Mal so viel wie eine Orange!
Ich kenne Brennnesseln noch aus meiner Kindheit, als meine Oma uns statt Spinat oder Wirsing oft Brennnesselgemüse gekocht hat. Hierzu werden die Blätter, wie Spinat, mit etwas Wasser und Gewürzen in einem Topf zubereitet. Der cremig-milde Geschmack der Brennnessel ist mir von damals immer noch im Gedächtnis. Aber auch als Tarte, Gnocchi oder Brennnesselrisotto schmeckt sie hervorragend.
Giftige oder ungenießbare Heilplanzen
Schöllkraut – Das Wundermittel gegen Warzen?
Achtung, dieses Kraut ist nicht zum Essen da, dafür kann es euch auf andere Weise helfen. Der orange-gelbe Saft nämlich, der aus den gebrochenen Stängeln austritt, wird oft zur Behandlung von Warzen verwendet. Ansonsten ist der frische Saft des Schöllkrauts giftig. Schöllkraut bevorzugt kalkhaltigen Boden und wächst daher meist in der Nähe von Häusern und Mauern.
Efeu – Der immergrüne Verwandlungskünstler
Er lebt »außerhalb des Zyklus«, ist immergrün und blüht erst spät zwischen Oktober und Dezember. Der Efeu ist ein echter Kletterkünstler und bedeckt Böden wie Hausfassaden gleichermaßen. Dabei tritt er je nach Alter, Lage oder Funktion in verschiedenen Formen und Aussehen auf. Dieser sogenannte Blattpolymorphismus sorgt dafür, dass seine Blätter sich in Form, Größe und Symmetrie stark unterscheiden können.
Sämtliche Pflanzenteile des Efeus sind giftig. In niedrigen Dosen finden zubereitete Efeuheublätter aufgrund ihrer krampflösenden Eigenschaften Anwendung bei Bronchialerkrankungen, Krampf- und Reizhusten. Zu hoch dosiert wirkt er jedoch reizend auf Schleimhäute und die Haut. Man kann ihn aber wunderbar als Waschmittel, ähnlich der Waschkastanie, verwenden. Einfach einen Aufguss aus Blättern und Wasser herstellen, diesen durch einen Seidenstrumpf abseihen und als Waschmittel zur Wäsche geben.
Ich hoffe, euch hat meine kleine virtuelle Aufbereitung des Kräuter- und Heilpflanzenspaziergangs gefallen. Hinterlasst mir gerne eine Nachricht dazu in den Kommentaren. Vielleicht habt ihr ja selbst noch Tipps oder Rezepte, die ihr gerne teilen würdet?
Wenn ihr gerne mehr zu Samuel und seinen Workshops erfahren möchtet, findet ihr ihn über seine Facebook Seite oder seine Website HeilundPflanze.de. An dieser Stelle möchte ich mich auch ganz herzlich bei Samuel für den tollen Kräuter- und Heilpflanzenspaziergang bedanken und zwei Herzen für die besten Handmodels der Welt verschenken.
Und jetzt: Raus mit euch in die Natur, Kräuter und Pflanzen entdecken.
Eure Madame Dessert
Kommentare
Eva von Madame Dessert
Hallo liebe Maria,
aktuell nicht, aber ich halte dich gerne auf dem Laufenden 🙂
Viele liebe Grüße,
·Eva